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Neubesetzung des Planungsdezernates – offener Brief des BDA Aachen

12. Februar 2019

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Mitglieder des Rates der Stadt Aachen,

Sie stehen vor einer großen Herausforderung und Verantwortung.
Die Wahrnehmung der Bürgerschaft zur Aachener Stadtentwicklung der letzten Jahre ist mehr als zwiegespalten. Der äußere Eindruck täuscht über den inneren Zustand hinweg. Unsere BDA Kollegin Christa Reicher hat im Pressegespräch mit Bernd Mathieu das Problem zutreffend beschrieben: „Verwalten statt Gestalten. Aachen steht sich selbst im Weg.“ Der BDA teilt diese Einschätzung ausdrücklich.

Stadtplanung sollte aktiv vorausschauend sein, sonst entsteht ein Vakuum. In diesem Vakuum gedeihen die Initiativen von Investoren, was nicht prinzipiell negativ sein muss. Aber: Stadtplanung verkümmert zur Reaktion, statt Aktion zu sein oder besser noch Interaktion und Kooperation.

Tragfähige innovative Leitbilder und Ziele für die künftige Entwicklung Aachens dürfen nicht fehlen und Strategien, diese in operationale Entscheidungen und konkretes Handeln umzusetzen. Masterplan und Innenstadtkonzept haben leider nicht den erhofften Erfolg gehabt, bisher so gut wie nichts bewegt.

Der beachtliche Innovationsschub des Campus Melaten ist aus der Entwicklungsdynamik der RWTH, ihrer innovativen Köpfe und der Idee einer Symbiose von universitärer Forschung und unternehmerischer Kreativität entstanden.
Für die Erneuerung und Zukunftsfähigkeit Aachens sind die RWTH, die FHAC und in ihrem Umfeld entstandene Institutionen die hauptsächlich relevanten Impulsgeber geblieben.

Für eine moderne, vitale und lebenswerte Großstadt im europäischen Wettbewerb reicht es nicht, sich auf die Hochschulen als Treiber zu verlassen.

Die Neubesetzung des Planungsdezernats muss entschlossen und effektiv als Chance genutzt werden, dringend notwendige Impulse für eine zukunftsfähige und enkeltaugliche Stadtentwicklung zu setzen, die Entwicklungsblockaden, insbesondere in der Innen- stadtplanung zu überwinden, Hindernisse aus dem Weg zu räumen.

Sind die derzeit in Aachen installierten Entscheidungswege der Politik und der Verwaltung noch geeignet, um Stadtentwicklung zügig nach vorne zu bringen? Erst nach Jahren oder gar Dekaden erreichen manche Projekte erst Realisationsreife. Sie werden in zahlreichen Gremien zerredet, durch zwischenmenschliche Unverträglichkeiten zerbrochen oder verzögert. Dies ist nur zu ändern durch klare, nachvollziehbare und vor allem zeitnah handelnde Strukturen.

Aachen steht vor existenziellen Zukunftsfragen:

Wir haben nur eine Welt und wir müssen verantwortungsvoll mit ihr umgehen! Aachen muss sich endlich entscheiden bis 2030 kompromisslos CO2 neutral zu werden und hieraus in den unterschiedlichen Sektoren die notwendigen Konsequenzen ziehen. Statt der Entwicklung von Vermeidungsstrategien für Dieselfahrverbote und einer Diskussion über Grenzwerte sollten Sie den Mut haben, dem Beispiel von Kopenhagen zu folgen, das 2025 CO2 neutral sein will.

  • Was ist das künftige Leitbild urbaner Mobilität in Aachen? Die Idee, elektro-mobile Hauptstadt der Nation (dank der Aktivitäten von Prof. Schuh) zu werden, reicht nicht. Zürich macht’s vor. Der MIV einschl. E-Mobilität wird auf 25% reduziert. ÖPNV, Radfahr- und Fußverkehr machen 75 % aus. Die Innenstadt von Oslo soll in diesem Jahr autofrei werden.
  • Die Bevölkerung in Aachen wächst. Dank der Hochschulen. Aber wie soll denn die Stadt wachsen? Innenentwicklung muss Vorrang haben vor Wachstum an den Rändern! Der viel zu hohe Flächenverbrauch muss reduziert werden. Einfamilienhausgebiete erzeugen den größten Flächenbedarf und sind unter dem Gesichtspunkt des Ressourcenverbrauchs nicht mehr zeitgemäß. Es müssen flächensparende Alternativangebote und sozial verträgliche Konzepte der Nachverdichtung entwickelt, vermittelt und in Bebauungspläne umgesetzt werden. Die Wohnungsfrage erfordert angesichts der Kostenentwicklung wirkungsvolle Strategien und Programme zur Schaffung qualitätsvollen, bezahlbaren Wohnraums. Grundsätzlich nur Konzeptvergabe bei der Vergabe von Grundstücken. Das Potential experimenteller Wohn- und Architekturformen ist auszuschöpfen. Haben Sie Mut zu Experimenten!
  • Aachen ist internationaler Wissenschafts-, Forschungs- und Hochschulstandort. Eine Fokussierung auf die Hochschulen und sich in deren Glanz zu sonnen, reicht nicht. In einer Zeit, in der das Kapital Wissen immer wichtiger wird, muss sich Aachen zu einer Stadt des Wissens außerhalb der Elfenbeintürme entwickeln. In der Wissensgesellschaft steht Bürgerwissenschaft neben akademischer Wissenschaft. Wie und wo wird das Wissen in Fragen der Digitalisierung transferiert, wirksam, erfahrbar, sichtbar und konkret nutzbar? Aachen 4.0. Machen Sie aus dem Future Lab ein Living Lab Aachen.
  • Aachen muss attraktiv für junge Menschen sein, muss zu einem „hot spot“ der Kreativszene und start-ups entwickelt und erhalten werden. Aachen sollte sich ein Beispiel nehmen an den broedplaatsen in Amsterdam. Diese „Brutplätze“ sind Inkubatoren für vielfältige Entrepreneurships. Holen Sie die Expertise aus den Niederlanden und von Pionieren wie Udo Schlömer, Factory Berlin, Elmar Mock, Creaholic Biel und Charles Landry, Comedia London nach Aachen. Machen Sie Aachen zur „Creative City“, einer Stadt im Aufbruch.
  • Was sind die Szenarien der Stadt für 2025, 2030 und darüber hinaus?
    „Wir müssen endlich wieder damit anfangen, über Visionen zu reden“ mahnte Edzard Reuter am 29.01.2019 bei Markus Lanz. Wie wird die Stadt Ihrer Verantwortung und Fürsorge für die Menschen und die Region gerecht? Aachen muss über die Stadt- und Staatsgrenzen hinaus gedacht werden. Die Rolle einer Regiopole muss angenommen und inhaltlich wie organisatorisch ausgefüllt werden.
  • Architektur ist im direkten Sinne Lebensmittel, d.h. sie ist grundsätzlich lebens- wichtig. Baukultur ist kein elitärer Luxus, sondern Lebensnotwendigkeit. Dies muss gelebt und handlungsleitend für die Stadtpolitik werden. Für alle notwendigen Veränderungen in unserer Stadt sollten die Leitsätze gelten:
    „Gehen täte das, nur wollen müsste man es.“
    (Zitat Prof. Dr. Oskar Reutter anlässlich seines Vortrags beim 4. Mobilitätsforum in Aachen 2018) und
    „Der einzige allgemeine Grundsatz, der den Fortschritt nicht behindert lautet: anything goes.“
    (Paul Feyerabend : „Wider den Methodenzwang“)

Die Verantwortlichen der Stadt müssen sich den Zukunftsfragen offen, ehrlich und mutig stellen. Es gilt, kraftvolle innovative Ideen für die Zukunft der Stadt zu entwickeln und entschieden umzusetzen. Dem (der) neuen Beigeordneten kommt bei der Vermittlung dieser Themen im Dialog mit der Politik eine Schlüsselposition als eine Art agilem „Vor- und Querdenker“ und kreativem Ideengeber zu.

Der Bund Deutscher Architekten BDA Aachen hat die Erwartung, dass die Dezernentenstelle mit einer charismatischen und empathischen Persönlichkeit besetzt wird, die

– transdisziplinär denkend
– mit breitem aktuellem Wissenshintergrund ausgestattet
– fachlich hochkompetent
– kommunikativ in Netzwerken
– konflikterfahren und
– offen für Innovation
– motivierend ist.

Aachen braucht eine unabhängige Persönlichkeit mit glaubwürdiger Autorität, Weitsicht und klug vorausschauendem Denken, die mit Innovationsfreude und Gestaltungswillen eine am Gemeinwohl orientierte nachhaltige Entwicklung Aachens aktiv vorantreibt und den Willen zur ehrlichen Beteiligung der Bürger im Dialog auf Augenhöhe mitbringt. Hierzu braucht es die Unbefangenheit des unverstellten Blicks von außen.

Ein Neuanfang zum Wohle Aachens fordert eine starke Persönlichkeit mit Entschlossenheit und Mut zur Gestaltung von Zukunft, Überzeugungskraft in der Durchsetzung und Verve beim Ausfüllen des Amtes.

Der Wille zur aktiven Beteiligung engagierter Bürger und Fachleute muss eine neue Pla- nungskultur etablieren und Dynamik für die Stadtentwicklung fördern.
In einen solchen Dialog wird sich der BDA auch künftig produktiv und engagiert einbringen.

Der BDA schlägt vor, 3 – 5 ausgewählte unabhängige Fachleute dieser Stadt als Berater in das Auswahlgremium zu berufen und die Entscheidung für eine Persönlichkeit mit zu tragen, die die Anforderungen an die Aufgaben kreativ zu erfüllen verspricht.

Auch hier gilt:

„Gehen täte das, nur wollen müsste man es.“

Vorstand und Mitglieder des Bundes Deutscher Architekten BDA Aachen

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